Tuesday, October 24, 2006

3. Einheit

Horkheimer (u.a. – v.a. Fromm) stellt fest, dass die Tatsache, dass die unterdrückten Klassen „ihr Joch ertragen“ (Horkheimer), nicht (allein) durch Zwang erklärt werden kann. Um sich dieser Frage zu nähern, fragt er nach den „Eigengesetzlichkeiten der Seele“ – die „relative Festigkeit der Verhaltensweisen“ ist das, was wir Charakter nennen können und damit so etwas wie die Disposition des Menschen – das, was den Menschen zum Subjekt macht. Aber eben wegen der „relativen Festigkeit“ ist der „Charakter“, die „Psyche“, die „Kultur“ ein Hindernis für Veränderung – es sind Vermittlungsinstanzen von Herrschaft.
Der wichtigste Ort, an dem die Psyche ausgebildet wird, ist die Familie – aus dieser Überlegung formuliert Horkheimer die Frage: „Wieweit führt die bürgerliche Familienstruktur (Vater/Mutter/Kind[er]) zu autoritären Verhaltensmustern?“

Hier knüpfen Horkheimer und die Kritische Theorie an
Freuds Psychoanalyse
an. Freuds Modell des Subjekts: Dreigeteilt in Über-Ich – Ich – Es:

1. Das Über-Ich repräsentiert das Allgemeine, gesellschaftliche Normen, Gesetze etc. und wird in der bürgerlichen Familienstruktur vom Vater repräsentiert.
2. Das Es sind die Triebe, Wünsche, das Begehren und damit individuell und anti-sozial. Repräsentantin ist die Mutter, die dem Kind als erstes Objekt des Begehrens gegenüber tritt.
3. Im Spannungsfeld von Über-Ich und Es entsteht, gleichsam als mehr oder weniger stabiler Kompromiss, das Ich, d.h. der Charakter, das, was uns als Mensch ausmacht.

Dieses Modell wurde von Freud als universelles, ahistorisches Modell konzipiert.

Horkheimer und die Kritische Theorie übernehmen die Logik des Modells in weiten Teilen, setzen es aber ins Verhältnis zu den konkreten historischen Bedingungen. Dies e haben sich seit der Jahrhundertwende massiv verändert.

In den 1920er/30er Jahren führt die innere Dynamik der kapitalistischen Produktionsweise zur immer stärkeren Konzentration von Kapital (etwa von R. Hilferding, R. Luxemburg, N. Bucharin, Lenin analysiert). Traditionelle Kleinunternehmen werden verdrängt und damit auch der bürgerliche Kleinunternehmer – die klassische Vaterrolle.
An seine Stelle tritt der „Angestellte“ als neues Massenphänomen. Zwar besser gestellt als der Arbeiter, aber letztlich doch Befehlsempfänger, lohnabhängig und von der Möglichkeit des Verlusts des Arbeitsplatzes bedroht. Dadurch verliert der Familienvater, degradiert zum Angestellten, die Substanz, die Unterfütterung seines Autoritätsanspruchs in der Familie.
Mit der Schwächung des bürgerlichen Familienmodells geht die Schwächung des „Über-Ichs“ (das ja vom Vater repräsentiert wird) einher.

Horkheimer und Fromm meinen nun, dass dies dazu führt, dass die Triebdynamik nicht mehr ausreichend reguliert wird und das wesenhaft antisoziale „Es“ gestärkt wird. Das unbalancierte und geschwächte Ich, getrieben vom Begehren („Es“), sucht in dieser Situation nach einer Bindung an ein anderes, starkes Über-Ich, das die gesellschaftliche Allgemeinheit repräsentiert (oder es vorgibt). Es sucht, mit einem Wort, nach einem „Führer“.
Horkheimer und die Kritische Theorie versuchen so zu erklären, warum so breite Teile der Bevölkerung so leicht für ein aggressives, autoritäres Projekt mobilisiert werden können.

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